Moldau ist kein sicheres Herkunftsland!


In einem gemeinsamen Brief an Iris Spranger kritisieren 41 bundesweite Vereine und Organisationen die Bestrebungen der Bundesregierung, Moldau zum sicheren Herkunftsstaat einzustufen. Die Verfasser*innen verurteilen die violente Abschiebepraxis des Landes Berlins in die Republik Moldau, von der vor allem Roma* betroffen sind.

Berlin, 12. Juni 2023

Die Unterzeichnenden – darunter der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma – zeigen sich angesichts der in Berlin massiv an Aggressivität zunhemenden Abschiebungen, die vor allem moldauische Roma* treffen, und des Vorhabens die Republik Moldau als sicheres Herkunftsland einzustufen sehr besorgt. Sie appellieren an die Adressatin Senatorin Spranger:

Humanitäre und historische Verantwortung übernehmen: Keine Abschiebungen von Roma*, keine Abschiebungen nach Moldau. Moldau ist kein sicheres Herkunftsland!

Offener Brief an Iris Spranger

Der Brief rekonstruiert die eklatanten Kontinuitäten der Gewalt an Roma* auf dem Gebiet des heutigen Moldaus: die jahrhundertelange Versklavung; die systematische Verfolgung und Tötung im Nationalsozialismus. Doch bis heute werden keine adäquate Entschädigungsmaßnahmen, gesonderte Bleiberechtsregelungen und Asylverfahren für in Berlin respektive in Deutschland schutzsuchende Roma* umgesetzt!

Deutschland hat gegenüber den Überlebenden und Nachfahren der Opfer des Nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Sinti* und Roma* eine besondere Verantwortung – auch gegenüber jenen, die aus ihren Herkunftsländern nach Deutschland fliehen!

In der Republik Moldau besteht derzeit eine akute Bedrohung infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Die Wirtschafts- und Versorgungslage ist desaströs. Diese verheerende Gemengelage wirkt sich im besonderen Maße auf die Mehrzahl der dort lebenden Roma* aus, da viele von existenzbedrohender Armut betroffen sind. Diese fußt auf tradierte Praktiken schwerster Diskriminierung, gesellschaftlicher Ächtung und des dezidierten Ausschluss‘ aus Strukturen der Existenzsicherung wie Arbeit, Bildung, Wohnen und Gesundheitsversorgung.

Doch die mehrfach dokumentierte strukturelle Diskriminierung der Roma* in Moldau und in den Westbalkanstaaten findet weder Eingang in asylrechtlicher Hinsicht noch in humanitäre Abwägungen seitens des Landes Berlin.

Im Zuge der gegenwärtig im Wochentakt stattfindenden Sammelabschiebungen von Berlin in die Republik Moldau sind vermehrt Familientrennungen, die Abschiebung von schwer kranken Personen und von Menschen mit Behinderung zu beobachten. Diese Vorgänge sind anhand geltender Menschen- und Grundrechte, der UN-Kinderrechts- und Behindertenrechtskonventionen unzulässig!

Der über Generationen andauernde Retraumatisierungsprozess der Nachfahrern der Opfer Nationalsozialistischer Vernichtungsstrategien des 20. Jahrhunderts als auch derer, die aufgrund ihrer Roma*-Identität bis in das 19. Jahrhundert versklavt wurden, setzt sich dadurch bis in die Gegenwart fort.

Zum gemeinsamen Brief

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Unterzeichnende

Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. | BARE Berlin – Bündnis gegen Antiziganismus und Roma*Empowerment BBZ – Beratungszentrum und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrantinnen | Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen | Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. | Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. | Bundes Roma Verband e.V. | Fabrik Osloer Straße e.V. | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Frauenkreise / Space2groW | Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V. | Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V. | InterAktiv e.V. | interkular gGmbH | Jugendliche ohne Grenzen | JUMEN e.V. | Kampagne Bleiberecht für Alle – statt Chancenfalle! | KommMit – für Geflüchtete und Migrant:innen e.V. | Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. | Kulturen im Kiez e.V. | Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung (LAMA) der GEW Berlin | LARA e.V. Mobile Beratung für geflüchtete Frauen die sexualisierte oder häusliche Gewalt erlebt haben | Leah Carola Czollek, Leiterin des Instituts Social Justice und Radical Diversity | Mediterranea Berlin e.V. | MeG betreutes Wohnen gGmbH | Moabit hilft e.V. | Prof. Dr. Gudrun Perko, Professorin an der Fachhochschule Potsdam und Leiterin des Instituts Social, Justice und Radical Diversity | Reistrommel e.V. | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) | Roma Center e.V. / Roma Antidiscrimination Network | RomaniPhen e.V. | Solidaritätsdienst International e.V. (SODI) | Sprungbrett Zukunft Berlin e.V. | terre des hommes Deutschland e.V. | Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V. | VIA Regionalverband Berlin/Brandenburg | Volkssolidarität Berlin e.V. | Willkommensbündnis für geflüchtete Menschen in Steglitz-Zehlendorf | XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V. | Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Mitzeichnende seit Juni 2023

Amaro Foro e.V. | Amaro Drom e.V. | Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V. | Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn | Be an Angel e.V. | Türkischer Bund in Berlin und Brandenburg e.V. (TBB) | No Border Assembly | Medibüro Berlin | Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen | Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. | Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)


»Es ist zynisch, an Gedenktagen von der besonderen deutschen Verantwortung für die Opfer des Völkermords zu sprechen, und andererseits mit aller Härte Roma abzuschieben, denen in ihren Herkunftsstaaten Gewalt, Ausgrenzung, Armut und Verfolgung drohen. […] Die Republik Moldau ist für Roma kein sicheres Herkunftsland.«

Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler,
in seiner Presseerklärung vom 12.04.23 anlässlich der Veröffentlichung des Briefes