Perspektiven N°5: Abkassiert und verdrängt


Podiumsdiskussion über Berliner Wohnungsmarkt: Diskriminierung, Gentrifizierung und die Folgen am Beispiel der Straße der Pariser Kommune 20.

Mittwoch, 10.05.2023 | 18.00 Uhr im Salon des FMP1 | Franz-Mehring-Platz, 10243 Berlin

2015 beziehen Familien aus Rumänien den Wohnblock in der Berliner Straße der Pariser Kommune. Alle kennen einander gut. Sie sind Roma* und haben bereits zuvor in derselben Gegend gelebt. Sie kommen als Bürger*innen der EU nach Berlin, um hier zu leben und zu arbeiten – um ihren Kindern eine bessere Bildung und Perspektive zu ermöglichen.

Die Wohnungen in der SPK 20 sind einfach, ohne Komfort. Es ist ein lohnendes Geschäft. In Berlin finden große Familien schwer Wohnraum. Insbesondere Menschen, die von starker institutioneller wie gesamtgesellschaftlicher Diskriminierung betroffen sind, sind gezwungen, zu nehmen, was ihnen angeboten wird. Trotzdem wird der Wohnblock für alle ein Zuhause. Die Familien richten sich gut und gemütlich ein. 8 Jahre wohnte die Mehrgenerationen-Gemeinschaft rumänischer Roma* dort.

Der repressive Prozess der Verdrängung

Die Eigentümerin des Wohnkomplexes nutzte sukzessive umfassende Droh- und Druckmittel, um das Haus „mieter*innenfrei“ zu bekommen – zugunsten des Abrisses und der Neuerrichtung eines profitablen, repräsentativen Wohn- und Geschäftsgebäudes: Räumungsanlässe wurden provoziert, das Haus zusehends vernachlässigt, ein Anwalt aufgeboten und mit fragwürdigen Abfindungen operiert. Trotz des lautstarken Protestes der Mieter*innen wurden nach und nach alle Bewohner*innen verdrängt. Viele in den Berliner Stadtrand. Ohne den Schutz und Zusammenhalt der früheren Gemeinschaft.

Ehemalige Mieter*innen erneut von Verdrängung betroffen

Welche Dringlichkeit und Brisanz die Thematik hat, zeigen die derzeitigen Vorgänge in der Fennstraße in Berlin-Niederschöneweide.

Hier drohen erneut die Räumung eines Wohnhauses und die Verdrängung der hier wohnhaften Menschen zugunsten privatwirtschaftlichen Profites. Dies betrifft auch mehrere Roma*-Familien. Eine lebte zuvor auch im Wohnblock der Straße der Pariser Kommune.

Rückwirkend bleiben viele Fragen offen

Fragen, die in der 5. Ausgabe des Diskurformates BARE-Perspektiven mit Expert*innen und Gästen, die die Entwicklungen in der SPK 20 innerhalb verschiedener Verantwortlichkeiten und Perspektiven begleitet haben, sowie ehemaligen Bewohner*innen thematisiert werden:

  • Welche (Nicht-) Rollen spielten Wohnungsaufsicht und Justiz?
  • Warum wurde der Abriss trotz Ermangelung ausreichenden und angemessenen Ersatzwohnraumes genehmigt?
  • Inwiefern sind hegemoniale Machtverhältnisse gerechtfertigt, die es ermöglichen, Menschen aus ihrem Zuhause zu reißen?
  • Wo sind die Potentiale für partizipative Modellwohnprojekte?
  • Wo bleiben Wohnkontingente für besonders vulnerabilisierte Menschen wie Roma* in Akutfällen?
  • Wie kann eine „Stadt für alle“ aussehen und eine solche erkämpft werden, damit Roma* und alle Menschen frei von Diskriminierung, Ausbeutung und Verdrängung nachhaltig gesichert wohnen und leben können?
  • Welche ganzheitlichen Konsequenzen haben solche traumatischen Vorgänge für die Betroffenen – insbesondere für Kinder und Jugendliche?

Panelbesetzung

Ehemalige Bewohner*innen, Saraya Gomis (Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung a.D.), Knut Beyer (asum GmbH), Carola Handwerg (Anwältin für Mietrecht), Nam Lê (Leitung Regenbogenhaus) u.a.

Mehr zum Thema

2023
»Casa Noastră. Unser Haus«
Ausstellung mit Arbeiten der Kinder aus der Straße der Pariser Kommune

2022
»Amaro Filmos – Wir sind hier!«
Dokumentarfilm über die Familien der Straße der Pariser Kommune

07.12.21
Unerwünschte Mieter*innen
Perspektiven N°1 zur Wohnsituation von Roma* in Berlin


»Verdrängung in Berlin:
Erneut fürchten vor allem Roma*-Familien, ihr Zuhause zu verlieren«

Lola Zeller im »nd« vom 11.05.23

»Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt:
Erst verdrängt, dann abgezockt«

Marie Frank in der »taz« vom 11.05.23

Die Veranstaltungsreihe BARE Perspektiven wird realisiert mit freundlicher Unterstützung von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung.